Preisträgerin

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Foto: David von Becker

Mariana Castillo Deball

(geboren 1975 in Mexico City, lebt und arbeitet in Berlin)

Die mexikanische Künstlerin Mariana Castillo Deball verschränkt Kunst und Forschung eng ineinander. Im Zentrum ihrer künstlerischen Arbeiten stehen oft archäologische Fundstücke, die die Künstlerin in ihrer kulturellen Verwertung analysiert und vorstellt. Gebrauchsspuren der Dinge rücken dabei ebenso ins Zentrum wie eigene, freie Assoziationen zur Geschichte der aufgefundenen oder bereits archivierten Gegenstände. Aus diesem Prozess der Dekonstruktion entstehen Arbeiten in ganz unterschiedlichen Medien, wie Zeichnung, Film, Skulptur, Installation und Performance, mit denen Castillo Deball die Möglichkeiten der künstlerischen Darstellung beträchtlich erweitert.

Preisträger-Ausstellung

20. September 2014 – 1. März 2015
Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin

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Foto: Thomas Bruns

Parergon

Mariana Castillo Deball zeigte vom 20. September 2014 bis zum 1. März 2015 ein eigens für ihre Einzelausstellung „Parergon“ entwickeltes Projekt in der Historischen Halle des Hamburger Bahnhofs. Die raumgreifende Installation vereinte verschiedene künstlerische Überlegungen an der Schnittstelle zwischen historischer Forschung, Philosophie und Kunst, die für das Werk von Mariana Castillo Deball ausschlaggebend sind. Für ihre Arbeiten eignet sie sich gezielt Themenfelder an und überführt den gewachsenen Forschungsprozess, an Methoden der Archäologie, Ethnografie und Wissenschaftsgeschichte erinnernd, in eine zeitgenössische künstlerische Formensprache. Vergessenes wird in neue Zusammenhänge gestellt, um erfahrbare Bilder und alternative Lesarten entstehen zu lassen.

Für die Schau im Hamburger Bahnhof widmete sich die Künstlerin den „Biografien von Dingen“. Ihr Augenmerk richtete sie dabei auf museale Sammlungsobjekte, die nicht selten „wandernd zwischen Hinterhöfen, Kellern, Sockeln, Vitrinen, Museen, Wanderausstellungen und privaten Sammlungen ein unbeständiges Leben hatten“ (Mariana Castillo Deball).
Im Zentrum der Präsentation standen Gegenstände und Kunstwerke aus verschiedenen Berliner Museen, vor allem aber solche, die mit der Sammlung der Nationalgalerie zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Verbindung standen. Wie der Titel der Ausstellung „Parergon“ (Beiwerk, Nebenwerk) nahe legt, wurde die Geschichte der Sammlungen, ihrer Bauten, Exponate und Protagonisten insbesondere hinsichtlich ihrer Migrationen und Neuordnungen untersucht und entschlüsselt. Besonderes Augenmerk legte Castillo Deball dabei auf Zusammenhänge, die sich außerhalb des Rahmens des Bekannten und des Eindeutigen abspielen.

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Foto: Thomas Bruns
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Foto: Thomas Bruns

Welchen Einfluss die Institution Museum und ihre Vertreter auf das Leben und den Status der Objekte haben, ist eine leitende Frage für die Betrachtungen der Künstlerin. Gegenstand der Installation waren weniger die faktischen Ergebnisse des stark recherchebasierten Projekts. Vielmehr ging es darum, eine sinnlich erfahrbare Situation zu entwickeln, in der die Künstlerin eigene, neu entwickelte Arbeiten mit historischen Ausstellungsstücken verbindet. Neue Narrationen und Querverbindungen, die zwischen den verschiedenen Objekten, historischen Einschnitten und zufälligen Geschehnissen entstehen, liefern Mariana Castillo Deball das Material für ihre eigenen künstlerischen Interventionen. Sie „möchte eine Art Oper schaffen, in der ein Repertoire aus Objekten, Gebäuden und architektonischen Rekonstruktionen als Hauptcharaktere auftreten“ (Mariana Castillo Deball). Diese verschiedenen Charaktere erzählen ein „Bühnenstück“ im Museum, in dem ihre in der Vergangenheit begangenen Wege und gelebten Abenteuer die Dramaturgie der Ausstellung bestimmen.

Als weitere Ebene ihrer Oper hat die Künstlerin ein Hörstück realisiert, das dem Besucher in Form eines Audioguides Einblicke in den vorausgegangenen Rechercheprozess ermöglichte. Hier kamen Stimmen von Spezialisten, Zeitzeugen und fiktiven Figuren zur Sprache, die sehr individuelle Sichtweisen und Erfahrungen mit den Besuchern teilten, die in Zusammenhang mit der komplexen Geschichte des Hamburger Bahnhofs, der Sammlung der Nationalgalerie und der in der Ausstellung gezeigten Exponate stehen.

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Foto: Thomas Bruns

Shortlist

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Foto: David von Becker

Kerstin Brätsch

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Foto: David von Becker

Mariana Castillo Deball

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Foto: David von Becker

Simon Denny

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Foto: David von Becker

Haris Epaminonda

Shortlist-Ausstellung

30. August 2013 – 12. Januar 2014
Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin

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Foto: David von Becker

Der neuseeländische Künstler Simon Denny widmet sich den medialen Strukturen der Informationsvermittlung. Ausgangspunkt seiner Arbeiten sind oft umfangreiche Recherchen über Fernsehprogramme, Schaufenster-Displays, Computer-Hardware oder -Software, die zu stark fokussierten, auch ironisch zugespitzten Raum-Installationen führen. Mit seiner Präsentation im Hamburger Bahnhof dokumentiert und untersucht Simon Denny die Sprache und Ästhetik der „Digital-Life-Design-Conference“ (DLD), die 2012 in München stattfand. Diese alljährliche Veranstaltung ist ein Treffpunkt einflussreicher IT-Firmen und Medienunternehmen mit Vertretern aus Wissenschaft und Kultur, die sich über Zukunftsfragen austauschen. So stand die DLD-Konferenz im Jahr 2012 unter dem Titel  „All You Need Is… Data?“. Die Aufbereitung und Verbreitung von Daten, wodurch und wie diese generiert und zu Informationen werden, ist dann auch das Thema von Dennys Arbeit. In seiner Installation im Hamburger Bahnhof überführt Denny die Chronologie der Konferenz in eine begehbare Zeitleiste aus bedruckten Leinwänden, die eng hintereinander gehängt sind. Der Künstler stellt die Statements einzelner Konferenzteilnehmer einander gegenüber und bedient sich der Ästhetik des Grafikdesigns und der Kulisse der Konferenz selbst. Leinwand für Leinwand entsteht so eine stark verdichtete Dokumentation der Veranstaltung, von deren Inhalten und Bedeutungen ebenso wie von deren Zeichen, Slogans und Gesten. Im Ganzen lässt sich die Installation als Momentaufnahme der schnelllebigen Medien-Industrie begreifen, als Porträt von zentralen Ansätzen und Haltungen, die unsere Kommunikation heute bestimmen.

Die deutsche Künstlerin Kerstin Brätsch erweitert das Medium der Malerei durch eine offene, experimentelle Haltung. Malerei reicht bei Kerstin Brätsch von großformatigen Papierarbeiten und farbigen Transparentfolien über schillernde Glasobjekte bis hin zu Arbeiten, die im kollaborativen Prozess entstehen, wie etwa Performances. Ihre Malerei bildet zugleich, wie die Künstlerin selbst hervorhebt, verschiedene Formen von „Körperlichkeit“ aus – räumliche Körper, aber auch allgemein ästhetische, soziale, psychologische, die darauf zielen, die Funktion von Malerei zu definieren.
Besonders deutlich wird dieser Ansatz in den offenen, roh abgerissenen, nur mit Magneten an der Wand befestigten Papierblättern der Psychics Series (2005-2008). Die Künstlerin spricht von „Notizen“: Mit der dicht gehängten, ästhetisch stark variierten Bilder-Sequenz verweist Kerstin Brätsch vor allem auf das Repertoire der Malerei, auf ihre vielfältigen Komponenten und Referenzen. Es sind verunsichernde Kippbilder, die sich auf der Grenze zwischen Abstraktion und Abbildung bewegen. Die eigens für die Berliner Ausstellung produzierten großen Glasscheiben wiederum lassen sich als Augen oder Linsen begreifen, in denen das malerische Konzept der Künstlerin in die Stofflichkeit des Glases und des Lichtes übersetzt ist. Die Gläser wurden in jener Glaswerkstatt gefertigt, in der ehemals auch Sigmar Polke seine Achat-Gläser für das Grossmünster in Zürich herstellen ließ. Kerstin Brätsch entdeckte einige Achat-Reste von diesen Kirchenfenstern, aus denen sie eigene Arbeiten schuf, die nun als abstrakt-leuchtendes Polke-Recycling den Malerei-Ansatz von Kerstin Brätsch bereichern. Als Stellvertreter für das Gemeinschaftsprojekt DAS INSTITUT (von Kerstin Brätsch und Adele Röder) ist schließlich die Dia-Serie Viola (2011) zu sehen, bei der die beiden Künstlerinnen sich als trompe-l’œil- Charaktere inszenieren und durch Teilbeschattung des Gesichts eine Verbindung zum Grotesken und Monströsen herstellen. Das Offene, Doppelbödige hat Kerstin Brätsch schließlich im Raumtitel zusammengefasst: Unstable Talismanic Rendering (zu dt. etwa: Instabile talismanische Darstellung).

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Foto: David von Becker
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Foto: David von Becker
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Foto: David von Becker

Die mexikanische Künstlerin Mariana Castillo Deball arbeitet an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft, zwischen zeitgenössischer Formfindung und historischer Forschung. Sie bietet mit ihren vielfältigen Buchprojekten, Filmen und Installationen neue Sichtweisen auf scheinbar Bekanntes und erweckt längst vergessene Geschichten zu neuem Leben. Castillo Deball integriert dabei Methoden der Archäologie, Anthropologie und Ethnologie in ihre künstlerische Praxis. In ihrem Ausstellungsbeitrag befasst sich Castillo Deball mit der kolonialen Vergangenheit Mexikos und deren Auswirkungen, insbesondere mit der Frage, welche kulturellen Überlagerungen sich zwischen der gewaltsamen Kolonisierung und den Lebensformen der ursprünglichen (indigenen) Bevölkerung ergeben haben. So ist Ausgangspunkt der Präsentation im Hamburger Bahnhof die berühmte Karte, welche der Eroberer Cortés 1524 nach Spanien schickte und welche die aztekischen Stadt Tenochtitlan (das heutige Mexico City) abbildet. Diese Karte wurde damals in Nürnberg als Holzschnitt hergestellt und vervielfältigt. Sie gilt als die älteste europäische Kartenansicht von Tonochtitlan. Castillo Deball ließ die Umrisse der Karte in hölzerne Bodenplatten fräsen und diese im Raum verlegen. Die Besucher laufen damit über eine vergrößerte Version jenes Druckstocks, dessen Abzug im 16. Jahrhundert das europäische Bild der mexikanischen Hauptstadt entscheidend prägte. Es ist ein Zeugnis europäischer Kartografie und Machtrepräsentation, enthält jedoch auch Bilder und Symboliken, die eindeutig aztekischen Ursprungs sind. Nicht anders verhält es sich mit den im Ausstellungsraum gezeigten Kostümen. Es sind Attribute der so genannten Los Chinelos, Karnevalstänzer und –bands, die bis heute im mexikanischen Bundesstaat Morelos auftreten. Die Tradition reicht erneut zurück bis in das 16. Jahrhundert, als einheimische Musiker und Tänzer die Karnevalskostüme der spanischen Besatzer kopierten und diese mit ihren eigenen, indigenen Mustern und Symbolen kombinierten. Mariana Castillo Deball fragt durch diese Zusammenstellung von Elementen aus Vergangenheit und Gegenwart, wie kulturelle Identitäten entstehen und wie Fremdes zu Eigenem wird.

Die aus Zypern stammende Künstlerin Haris Epaminonda geht in ihren Arbeiten oft von eigentümlichen Bildern und Dingen aus, die vielschichtige Stimmungen und Emotionen erzeugen oder vage Erinnerungen wachrufen. Sie verwendet dafür Fundstücke, Fotografien, Texte und Filme, die sie aus ihren ursprünglichen Zusammenhängen löst und in präzise ausbalancierten Ausstellungsdisplays neu zusammensetzt. Die Technik der Collage ist deshalb zentral für ihre Arbeitsweise. Im Hamburger Bahnhof zeigt Haris Epaminonda die Videoinstallation Chapters (2013) – eine umfangreiche filmische Arbeit, die 2012 als 16mm-Film in Zypern entstand und als eine größere Weiterentwicklung ihres bisherigen künstlerischen Weges gelten kann. Im Inneren der mehrfach verwinkelten Architektur stehen sich nun vier Projektionen gegenüber, die im Dauerloop gezeigt werden und auf Grund ihrer unterschiedlichen Filmlängen zu immer neuen Bildkonstellationen im Raum führen. Eine lineare Handlung gibt es nicht, jedoch Bilder von Landschaften, rituellen Gesten und Handlungen, Stillleben und Tierszenen, die eine eigene, verwunschene Welt aufrufen. Statisch gefilmte Innenräume und verlangsamte Bewegungen strahlen eine fast spirituelle Erhabenheit aus. Klänge historischer und zeitgenössischer Instrumente mischen sich mit Tierlauten und Original-Tönen des Drehs vor Ort. Ähnlich vielschichtig sind die im Vorraum präsentierten Objekte und Fundstücke: sie greifen Themen des Films wieder auf, lassen sich als Bruchstücke kultureller Identitäten begreifen und bleiben doch offen und rätselhaft. Haris Epaminondas Räume entführen uns auf assoziative Reisen in scheinbar zeitlose Gegenwelten, in welchen die scheinbar vertrauten Bilder und Dinge ein freies, poetisches Eigenleben entwickeln.

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Foto: David von Becker

Preisträger Preis für junge Filmkunst

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Filmplakat | © Victor Orozco Ramirez

Victor Orozco Ramirez mit dem Film „Reality 2.0“

Die Begründung der Jury:

Victor Orozco Ramirez’ animierter Kurzfilm Reality 2.0 erzählt eine persönliche Geschichte: Ein Neuankömmling aus Mexiko verfolgt die eskalierende Gewalt im Drogenkrieg seiner Heimat aus dem fernen Deutschland, über das Internet. Kartelle laden Videos von Exekutionen hoch auf YouTube und “Narco-Blogs”. Die so geschaffene parallele Realität benutzt Strategien von al-Quaidas Online-Propaganda und verweist auf die Bildwelten von Action Movie und Computerspiel. Ramirez’ Film verwebt auf eindrucksvolle Weise verschiedene Themenkomplexe: Die Betrachtung des vergleichsweise beschaulichen Deutschland aus der Perspektive des Fremden, die kulturelle Faszination mit der Ikonografie des Todes in Mexiko und die Ästhetisierung von Gewalt durch die Medien. Durch handgezeichnete Animation und die Rotoskopie-Technik werden die grausamen Szenen entfremdet, der Regisseur unterläuft so Voyeurismus und das durch das Internet begünstigte Spektakel der Gewalt. Mit surrealen und poetischen Momenten ist der Film aber vor allem Reflexion über die Erinnerung und reale und medial vermittelte Wirklichkeit. Ramirez findet eine reiche Bildsprache zu seiner einprägsamen, behutsam entwickelten Erzählung.

Erste Jury

Tobias Berger

Ariane Beyn

Massimiliano Gioni

Anno Saul

Ina Weisse

Zweite Jury

Okwui Enwezor

Luis Pérez-Oramas

Kitty Scott

Gabriele Knapstein

Udo Kittelmann